Speaking In Tongues
Scribbling In Voices


Sara Augstein

Durst und Dunkel

 
 
 

* * *

Der heiße Wind
wirft ins offene Fenster
Sand und Durst.
 
 
Erhitzte Häuser
fraßen den Winter –
er stirbt verschluckt,
 
 
fermentiert
in sauren Gerüchen
der Rumpelkammer.
 
 
Mir fehlt im Bild
schmelzender Schnee,
der daheim hoffnungsvoll röche.
 
 
Im Dunkel,
das die Jahreszeiten bedeckt,
ertrinkt
der tags verdutzte Sinn,
bemüht,
dem Paradox zu entgegnen.
 
 
Logik errichtet rasch
hypothetische Piers
aus ihren geschliffenen Steinen,
 
 
und wenn die funkelnden Wellen
die Konstruktionen zerstören,
wundert’s mich nicht.
 
 

Untergang

 
 
Die müde Mühle des Tages mahlt
den Abend — ein Ende und ein Abendbrot, —
denn Abend verwandelt das Sonnenlicht bald
in die Weinröte des Abends wie Wein.
 
 
Zu einem Gefäß fürs Abendrot schließt
und mit großzügigen Küssen einfüllt
die Sonne die Wölbung der durstigen Hand...
Wenn man die Bilder ins Denken hingießt,
 
 
ins Weinglas fürs einsam vollbrachte Abendmahl,
mit dem vertrockneten Brot des Gefühls
und mit der Segnung von dem letzten Tagestrahl,
ist’s ein später Traum vorm Untergang.
 
 

* * *


ich traf mich
auf einer Wiese
knietief im Tau.
 
 
Wen suchst du hier?
Wen sprichst du an?
ich warte lange auf dich
 
 
ich kam endlich
ich traf mich
ich bin es nicht
 
 
ich, vermißt,
bin auf einer
fernen Wiese —
 
 
und bis zu Knöcheln
reicht die Galle
der Selbstsucht.
 
 

Ende Herbst

 
 
Aus Zweigen
Kettenglieder.
Zweige:
Himmel in Ketten
gefesselt
 
 
im kalten
Regenbogen:
so in Ketten
aus Zweigen liegt,
zögert
letzte Frucht
 
 
auf Ketten
der Zweige
Herz
auf kaltem Gewerk
(Baumkanten),
und Kanten glühen.
 
 
Tracheen —
Gefäße.
Zweigen — Aorta —
fassen
die letzte Frucht.
Fassungslos. Verliebt.
 
 
tragender Bogen
voll Himmeln!
Frucht —

— Apfel

— Sonne

— Herz

Dein Herz und Blick
 
 
so fesseln Wimpern
Kettengewebe
der Regebogen-
häute. Heute
die Ketten
wo Winter wird
 
 

- 28° C

 
 
Harte Funken stechen Haut
Es funkelt im hartem Himmel
Schnee wimmelt in funkelnder Luft
Luft härtet wimmernden Laut
Luft heult, sticht die Haut,

den Himmel

Luft funkelt, der schimmernde Schimmel —
der Schneeschimmel.

Der Luftlaut

öffnet die Klinge klirrend
Klirrende Luft löst den Schneerost
an der Klinge gefrorenen Lauts
Scharfe Bewegung im gefrorenen Raum,
umsonst im Frost —
ein Mittel gegen Ungestüm
Der Laut schärft den stumpfen Sinn:

Kalt

Keine Eile durch wimmelnde Zeit
Keine Eile durch heulenden Schnee

Kein Ruf — keine Eile — soweit

 
 

Das Unfaßbare

 
 
Das Tier kommt zum gefrorenen Fluß.
Es kniet und preßt ein Auge flach ans Eis.
Es atmet; der Atemhauch
beeinflußt die Eiseigenschaften.
Das Tier sieht:
sehr flache Schatten der Fische.
Es blinzelt ein wenig die Schuppe.
 
 
Später durchlöchert die Sonne das Eis;
das Tier schläft schon lange aus Erwartung
und Müdigkeit;
die Fische springen durch Löcher,
ihre schönen Münder werden zu zitternden Knospen.
Die Schuppe schwebt. Das Tier öffnet das Auge
und schaut vor Begeisterung weg.
 

 

Durst und Dunkel


Die große Sache Himmel
hat eine Öffnung,
durch die das einfarbige Licht
in das Dunkle
mit schwachem Rascheln
hinausdämpft.
 
 
Die große Sache Erde,
farblos bei Nacht,
saugt sprudelnd
das schwache Licht
mit erhabener Wasseroberfläche,
einem Gefäß widersprechend.
 
 
Das schwache Rascheln,
das schwache Leuchten
begleiten die mächtigen Schlucke,
während ich an der Schwelle
den Flaschenhals festhalte,
während der Trieb
mich von innen einfüllt.